Theater

Die Reise zu den Farben unserer Erde

Alle Kinder sind mucksmäuschenstill, denn es ist Theaterzeit an der Grundschule Nellmersbach. Das liegt vor allem an Matthias Störr, der mit seinem Stück „Die Reise zu den Farben unserer Erde“ die Kinder in seinen Bann zieht. Diese indianisch inspirierte Geschichte ist aktueller denn je. Es geht um Flucht, es geht um Toleranz und es geht vor allem darum, wie vielfältig und bunt die Menschen dieser Erde sind.



Mit der Legende der Wampanoak-Indainer zeigt Störr auf, wie die Erde und die Menschen entstanden sind. Alle Menschen, jeglicher Hautfarbe stammen aus der „Mutter Erde“. Mit Querflöte und Tanz entstanden vor den Augen der Kinder die Menschen in schwarzer, gelber, roter und weißer Hautfarbe. Mit einfachsten Mitteln wurde beeindruckend klar, dass in diesem indianischen Mythos alle Menschen denselben Ursprung, nämlich „Mutter Erde“, haben. „Ich fand toll, wie die Menschen aus der einen Erde gezogen wurden“, bemerkte Nelmedina und hatte damit die zentrale Botschaft des Stückes erkannt: Wir alle sind Erdenbürger! In der Geschichte, die daran anschließt geht es um einen afrikanischen Jungen, der von seinen Eltern hinausgeschickt wird, um sein Glück in der Welt zu finden. Dies tut er nicht freiwillig! Die Armut seiner Heimat und der Krieg, der dort tobt lassen ihm aber keine andere Wahl. Auf seiner abenteuerlichen Reise gelangt er auch an Europas Grenzzäune, an denen er abgewiesen wird. Dazu meint Laura: „Das „Go home“ der Grenzpolizisten war die traurigste Stelle des Stückes.


Und Antonia ärgert sich: „Das hat mich richtig wütend gemacht! Warum lassen sie den armen Jungen nicht rein?“ und Luca ergänzt: „Das ist so gemein!“ Nun versucht der Junge übers Meer seine Flucht fortzusetzen. Als ihm das Benzin seines Motors ausgeht, er Hunger und Durst hat und ein letztes verzweifeltes „Ich kann nicht mehr“ ausstößt, ist es im Zuschauerraum ganz still. Wird er überleben? Wird er gerettet? Gebannt schauen alle auf die Bühne. Doch dann kommt Hoffnung auf! Die Elemente verbinden sich, um dem Jungen zu helfen. Meisterhaft von Störr in Szene gesetzt, verschaffen Mond und Sonne dem Jungen die langersehnte Rettung. Ein Boot bemerkt den Jungen und nimmt ihn auf und jetzt zeigt sich auch die verständliche, hilfsbereite und liebevolle Seite der Menschen. Die Freude auf Seiten der Nellmersbacher Kinderschar ist riesig.

Um seine Geschichte zu erzählen, zieht Matthias Störr gekonnt alle Register. Er schlüpft so rasend schnell in die unterschiedlichsten Rollen, ist mal Erde, mal Sonne, mal Mensch, dass den Kindern Hören und Sehen vergeht.

Mit großen Augen begleiteten alle Grundschüler die Mixtur aus einer indianischen jahrhunderteralten Geschichte und einer brandaktuellen Fluchtgeschichte. Mit variierender Stimme, großen Gesten und Mimiken nimmt er alle Kinder mit, bringt sie zum Lachen oder regt sie zum Nachdenken an. Matthias Störr wandelt auf der ganz in Blautönen gehaltenen Bühne aber nicht nur als Schauspieler. Störr ist Musiker, Tänzer und Entertainer zugleich. Er spielt Querflöte, wackelt mit dem Po und tanzt Samba. Mit dieser Inszenierung der Extraklasse versetzt er die Kinder immer wieder in Erstaunen. So auch zum Ende des Stückes, als die „Mutter Erde“ über den Köpfen der Kinder hinwegschwebt. Dazu singen alle Schüler lautstark das indianische Lied „Ho witchi thai thai!“. Der Rest ist Applaus für ein grandioses Schauspiel, in dem der Blick auf die Vielfalt der Menschen, auf Menschlichkeit und Achtsamkeit nicht mit dem erhobenen Zeigefinger gerichtet wird, sondern als das Merkmal betrachtet wird, das den Mensch zum Menschen macht.
 
Oliver Kurr,
Rektor